Erinnerungen: Traunaumord

Generalmajor i.R. Manfred Schmidbauer erinnert sich an die Vorgänge um den Traunaumord.

Diese Vitrine zeigt vor allem Zeitungsausschnitte von diesem Aufsehen erregenden Mordfall. Ein Tatortfoto zeigt die ermordete Rosa L. Weiters das auffallende Rücklicht und den Lenker des Mopeds, welche zur Ausforschung des Täters wesentlich beigetragen haben, dann der Kübel, mit dem Rosa L. Sand holen wollte und die Schuhe des Mordopfers. Diesen Mordfall darf ich nun im Detail schildern: Am 14. Oktober 1967, um ca. 16.30 Uhr ging die 41jährige Rosa L. von ihrem Einfamilienhaus in Freindorf bei Ansfelden in die nahe Mühlbachau. Um Sand zu holen nahm sie einen Kübel und eine Schaufel mit. Zu Hause wartete der Ehemann Karl L., ein 42jähriger Vöestarbeiter mit dem zweieinhalbjährigen Sohn Erwin. Nachdem die Gattin längere Zeit nicht zurückkam suchte der Mann, den Buben auf der Schulter, fand aber keine Spur von der Frau. Es begann zu dunkeln. In seiner Sorge brachte er das Kind zu Nachbarn und ersuchte, bei der Suche nach der Frau zu helfen. Die Nachbarn Josef B., dessen Sohn und der Vöestarbeiter August Z. machten sich sofort auch mit Taschenlampen auf die Suche. Sie entdeckten niedergetretenes Schilf am nördlichen Ufer des Mühlbaches. Der besorgte Gatte wollte sofort dieser Spur folgen. Doch August Z. hielt ihn zurück und ging selbst vor. Dadurch wurde dem Familienvater der grässliche Anblick seiner misshandelten, entblößten, vergewaltigten und erwürgten Frau erspart. Die Beamten des zuständigen Gendarmeriepostens Ansfelden sperrten sofort den Tatort ab und verständigten die Erhebungsabteilung, wie die Kriminalabteilung damals hieß. Die Mordgruppe und die Spurensicherungsbeamten waren in kürzester Zeit vor Ort. Am Tatort wurden vier Glieder eines „Fixo-Flex“-Uhrbandes gefunden und eine Fußabduckspur des mutmaßlichen Täter festgestellt, fotografiert und ein Gipsabdruck angefertigt. Das war der aktuelle Ermittlungsstand, als ich in die Ermittlungen eingebunden wurde. Bei so einem Großeinsatz mussten die Ermittlungsteams durch Beamte benachbarter Dienststellen verstärkt werden. Meinem ehemaligen Postenkommandanten war mein Idealismus für den Kriminaldienst bekannt, deshalb schickte er mich – ich war damals der jüngste Gendarm des Postens – zur Verstärkung der Einsatzkräfte nach Ansfelden. Der Einsatzleiter Major Albrecht S. entschied, dass ich mit Bezirksinspektor Alois A. eine so genannte Häuserbefragung durchführen sollte. BezInsp A. war Stellvertreter des Gendarmeriebezirkskommandanten und ein äußerst erfahrener Beamter. Die Bevölkerung war sehr aufgebracht. Vor allem Frauen und Mädchen trauten sich nicht mehr allein aus den Häusern seit im Radio im Rahmen der Frühnachrichten über diese schreckliche Bluttat berichtet wurde. Bei den Befragungen hatten wir das Gefühl, dass die Leute uns helfen wollten. Sie konnten uns leider keine zielführenden Hinweise geben. Die Kriminalisten konzentrierten sich inzwischen auf die Überprüfung bekannter Sexualstraftäter in der Umgebung. Nachdem alle Informationen gesammelt und ausgewertet waren wurde auf Grund einer Zeugenaussage eine Personsbeschreibung erstellt. Im Nachhinein stellte sich diese aber als falsch heraus. Sie passte auf den einschlägig vorbestraften Stefan K. Dieser kam aber in unserem Fall als Täter nicht in Frage. Er hatte ein stichhaltiges Alibi. Die Stimmung der Kriminalisten war nicht gut. Alle bisherigen „heißen“ Spuren waren im Sand verlaufen. Während ich mit BezInsp A. unterwegs war erzählte er mir, dass er am Tattag an der nahen Traun fischen gewesen wäre. Er hätte dort drei Burschen gesehen, die sich gegenseitig fotografierten. Vielleicht könnten diese irgendeine wichtige Beobachtung gemacht haben man müsste dieses Trio ausforschen.

Dieser Vorschlag wurde von den Beamten der Erhebungsabteilung sofort aufgenommen. Über die Presse wurden die Amateurfotografen ersucht, sie mögen sich bei der Gendarmerie melden. Dieser Aufruf hatte Erfolg. Sie meldeten sich und wurden wichtigen Zeugen. Sie gaben an, sie wären am 14. Oktober nachmittags in der Traunau gewesen. Dort hätten sie Anton K. aus Freindorf mit seinem Onkel Johann B. mit einem roten VW-Bus in Richtung Traunfluß fahren gesehen. Kurz darauf wären sie von einem Mopedfahrer überholt worden. Von diesem Fahrzeug wären ihnen der breite Lenker und ein auffallend großes Rücklicht in Erinnerung. Auf dem Gepäckträger des Mopeds wäre ihnen noch eine Schachtel aufgefallen. Der Mopedlenker wäre groß gewesen, an mehr könnten sie sich nicht mehr erinnern. Weiters gaben sie an, dass ihnen eine Frau mit einem Kübel begegnet wäre. Das müsste Rosa L. gewesen sein. Außerdem sagten sie aus, dass sie den Mopedfahrer kurz nach 18.00 Uhr im Gasthaus H. in Audorf wieder gesehen hätten. Eine Gendarmeriepatrouille ermittelte beim Wirt sehr schnell. Wer der Bursche war, der Samstag abends eine halbe Stunde lang bei der Schank an der Kegelbahn war. Er hieß Walter F., 21 Jahre alt, Elektriker und wohnhaft in Audorf. BezInsp A. nahm in meinem Beisein mit dem Verdächtigen eine Niederschrift auf, konnte ihn aber nicht in die Enge treiben. Auf alle Fragen, die ihn mit dem Mord in Verbindung bringen könnten, wusste er geschickte Ausreden. Für die Kriminalisten war aber dieser Mopedfahrer bisher die heißeste Spur. Sie wussten, dass sie hier nicht aufgeben durften. Im Zuge der Hausbefragungen erfuhren die Kriminalisten, dass Ingrid M. zusammen mit der Familie des Walter H. zur Tatzeit am Tatort vorbeigekommen sein müsste. Sofort fuhren die Beamten zu der jungen Frau. Und sie bestätigte: „Wir sind in die Au gegangen. Als wir zur Mühlbachbrücke gekommen sind, haben wir im Gebüsch ein Moped gesehen. Uns ist das große Rücklicht aufgefallen.“ Das war ein Beweis, dass Walter F. zur Tatzeit in der Mühlbachau war. Walter H. bestätigte die Angaben der Frau und ergänzte: „Das Vorderrad des Mopeds hat in Richtung Gebüsch geschaut, das Heck zur Straße .Ich habe mir es deshalb so genau angesehen, weil ich ein gleiches besitze.“ Der Rest war Routine. Die gesicherte Fußabdruckspur passte genau, auch die sichergestellten Glieder der Armbanduhr konnten ihm zugeordnet werden. Am 21. Oktober wurde er vom seinerzeitigen besten Vernehmungsteam der Erhebungsabteilung, Ulrich S. und Josef W. mit den vorliegenden Beweisen konfrontiert. Vorerst bestritt er jeden Zusammenhang mit der Tat. Doch nachdem die Vernehmung eindringlicher und er immer mehr in die Enge getrieben wurde, legte er ein umfassendes Geständnis ab. Dieses deckte sich in allen Einzelheiten mit den Erhebungsergebnissen. Sein Motiv war, er wollte mit der Frau sexuell verkehren. Er habe erst einmal mit einer Prostituierten Geschlechtsverkehr gehabt. Mit anderen Frauen hatte er sich nie getraut. Er wurde am 2. Oktober 1968 von einem Geschworenensenat des Landesgerichtes Linz zu 20 Jahre schweren verschärften Kerker, ein hartes Lager vierteljährlich, und an jedem Jahrestag der Tat zu Dunkelhaft verurteilt. Mich hat dieser erste Mordfall in meiner Berufslaufbahn tief beeindruckt. Wenn ich dabei auch keine Führungsrolle gespielt habe, der Umstand allein dabei gewesen zu sein war für mich ein einprägsames Erlebnis. Zudem hatte ich das Glück, an der Seite jenes Mannes mitzuarbeiten, der dem Fall und den Ermittlungen die entscheidende Richtung gab. Ich habe diesen Fall sehr ausführlich in meinem Buch „Mörder, Räuber & Gendarm“ unter den Titel „ Mein erster Mordfall“ beschrieben.