Erinnerungen: Tresorfall

Generalmajor i.R. Manfred Schmidbauer erinnert sich an den Tresorfall.

Die erste Generation der Kassenschränker und Tresoreinbrecher arbeitete noch mit diesen primitiven Werkzeugen. Aber wie der weise König Salomon schon sagte: „Alles hat seine Zeit und jedes Ding unter der Sonne seine Stunde.“ Und so konnte ich in meiner Dienstzeit einige Generationen von Tresoreinbrechern kennen lernen. Nachdem die Tresorerzeugerfirmen ihre Produkte immer stabiler bauten, konnten sie mit der alten Methode nicht mehr geöffnet werden. Die Gauner verlegten sich nun auf das Aufschweißen der Geldschränke. Hier gab es wahre Meister ihres Faches.

Ein Beispiel: Es war Ende der 1960er Jahre. Eine Tresoreinbrecherbande machte den Großraum Linz unsicher. Es verging kaum eine Nacht, in der nicht irgendwo ein Firmentresor aufgeschweißt wurde. Eine SOKO mit der Bezeichnung „Aktion Weiserheide“ wurde gegründet. Ich war seinerzeit Mitglied dieser Sondereinheit. Es dauerte einige Wochen, bis wir einen Teil der Bande auf frischer Tat betreten konnten. Leider entkam der Bandenführer, der auch der exzellente Schweißer war. Sein Name: Manfred S. Es wurde Österreich weit nach ihm gefahndet. In Tirol wurde er erkannt, er flüchtete, wollte durch den Inn entkommen, ertrank aber in den Fluten. Das war das Ende der so genannten „Schiefermayerbande“. In der Folge verlegte sich eine Bande auf das Aufbohren und Auffräßen von Tresoren in Geldinstituten. Auch hier waren hervorragende Könner am Werk. Weder die Tresorhersteller, noch wir konnten uns erklären, wie die Täter in sehr kurzer Zeit die mit bester Sicherheit gebauten Geldschränke aufbrechen konnten. Wir standen vor einem Rätsel. Aus diesem Grund stellte uns eine bekannte Tresorherstellerfirma einen Tresor jener Bauart zur Verfügung, wie er vorzugsweise von den Verbrechern geöffnet wurde. In unserer Werkstätte versuchten unsere Mechaniker mit den besten Bohrern und Fräsköpfen im Beisein von Firmenvertretern den Geldschrank zu öffnen. Unsere Mechaniker gingen dabei so vor, wie die Verbrecher am Tatort. Es war aber nicht möglich, den Tresor zu öffnen. Nach stundenlangem Bemühen gaben wir den Versuch auf. Natürlich wurde es für uns immer rätselhafter, wie es den Tätern gelingt, binnen weniger Minuten ihr Ziel zu erreichen.

Nach wochenlangen Ermittlungen konnten wir die Täter festnehmen. Der Bandenboss, ein deutschen Staatsangehöriger, war zugleich der Experte im Öffnen der Tresore. Josef S., so sein Name, wollte uns nun zeigen wie und mit welchem Gerät er arbeitete. Den Tresor hatten wir ja noch in der Werkstätte. Wir staunten nicht schlecht, denn es war ein relativ billiges Produkt, welches er aber erst für diese Arbeit richten musste. Aus kriminaltaktischen Gründen kann ich nicht mehr Details bekannt geben. Nur soviel – er brauchte keine zehn Minuten um den Tresor zu öffnen. Josef S. wurde gemeinsam mit seinen Komplizen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nachdem er ein tüchtiger Schlosser war, wurde er in der Strafvollzugsanstalt Stein in der Schlosserei eingesetzt. Aber nicht sehr lange, er fertigte sich Nachschlüssel an und flüchtete über die Brücke in Braunau nach Bayern. Dort stellte er sich der Polizei. Uns schrieb er einen Brief, wir sollen ihm nicht böse sein, aber die Haftbedingungen in Bayern seien besser als die in Österreich. Hin und wieder wurden auch Tresore aufgesprengt oder mit einer Flex aufgeschnitten. Die Fotos in der Vitrine stammen aus einer Verbrecherkartei. Wenn ein Täter, egal ob Mörder, Brandstifter, Räuber, Einbrecher, Betrüger usw. verhaftet wurde, kam er in die Verbrecherkartei. Es wurden seine persönlichen Daten aufgenommen, er wurde fotografiert, daktyloskopiert, seine Vorstrafen festgehalten und vor allem wurde auch sein modus operandi, also seine Vorgehensweise am Tatort genau beschrieben. So konnte man zusammenhängende Straftaten besser erkennen. Heute, im Computerzeitalter, kann man über die seinerzeitigen Methoden nur lächeln. Trotzdem konnten durch diese Aufzeichnungen viele Straftaten geklärt werden. In dem kleinen Holzkoffer in der Mitte der Vitrine befinden sich erkennungsdienstliche Materialien. Der bescheidene Inhalt war die Grundausstattung, die jedem Gendarmerieposten zur Verfügung stand. Er war für eine einfache Spurensicherung sicher brauchbar. Ich selbst habe während meiner vierjährigen Dienstzeit am Gendarmerieposten Leonding viel und auch erfolgreich mit diesen Materialien gearbeitet.