Erinnerungen: Wohnmobilmord 

Generalmajor i.R. Manfred Schmidbauer erinnert sich an den Wohnmobildmord.

In dieser Vitrine wird einer der Aufsehen erregendsten Mordfälle in Oberösterreich dargestellt. In der Mitte, Rene W. n wird mit gespaltenem Schädel schwerstverletzt aufgefunden. Darunter die Landkarte mit eingeblendeten Tatorten. Am Autobahnparkplatz in Pucking, die Fundstelle bei Ohlsdorf und die Auffindungsstelle der Leiche von Gabrielle W. neben einem Autobahnrastplatz im Gemeindegebiet von St. Georgen im Attergau. Dann die Tatwaffe mit der Rene die schweren Kopfverletzungen zugefügt wurden und das Fesselungsmaterial. Links Zeitungsberichte mit Fotos von Gabrielle und Rene W. Auf der rechten Seite sind die Fotos der beiden Mörder zu sehen, das Farbfoto Lubor M. und Jan M.

Was ist geschehen?

Am 23. August 1990, gegen 18.00 Uhr wurde in einem Wald in Kleinreith, Gemeinde Ohlsdorf, Bezirk Gmunden ein unbekannter Mann, gefesselt und mit schwersten Kopfverletzungen – mit gespaltenem Schädel – bewusstlos aufgefunden. Ein Liebespaar hörte zufällig ein Stöhnen und entdeckte den Schwerverletzten. Die sofort verständigte Rettung mit Notarzt brachten nach der Erstversorgung den Bewusstlosen in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus nach Linz. Abgesehen von einigen Kleidungsstücken fanden sich keine wie immer gearteten Anhaltspunkte, die für eine Identifizierung des Opfers dienlich gewesen wären. Aufgrund der schweren Verletzungen und der Auffindungssituation mussten wir annehmen, dass die Täter das Opfer für tot hielten und die Leiche im Wald „entsorgten.“ Aufgrund der Brutalität mit der das Opfer malträtiert wurde, glaubten wir vorerst an eine Unterweltsfehde. Für die Ärzte und Krankenschwestern im Krankenhaus, unter der Leitung von Primar Dr. L., begann ein Wettlauf mit dem Tod. Und eines darf ich bereits vorweg nehmen, was in diesem Fall von den Ärzten und dem Krankenhauspersonal geleistet wurde, grenzt an ein medizinisches Wunder. Der Schwerstverletzte konnte zwar an Leben erhalten werden, aber leider waren vorerst keine Erinnerungen möglich. Wir hatten keine Ahnung, wer dieser Mann war. Unsere Ermittlungen begannen im Bereich des Auffindungsortes des Verletzten. Dort konnten wir einen Zeugen ausfindig machen, der angab, er habe um die Mittagszeit des 23. August 1990 im unmittelbaren Bereich des beschriebenen Auffindungsortes ein beige-braunes Wohnmobil mit ausländischem Kennzeichen – gelber Grund, schwarze Schrift – beobachtet. Die ersten Erkenntnisse rechtfertigten die Annahme, dass der Auffindungsort nicht der Tatort ist und das angeführte Fahrzeug mit dem Gewaltverbrechen in einem Zusammenhang stehen dürfte, zumindest aber zur Verbringung des Opfers verwendet wurde. Es bedarf wohl keiner näheren Erörterung, dass sich die Ermittlungen äußerst schwierig gestalteten und schier aussichtslos zu sein schienen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil längere Zeit hindurch an das Aufkommen des Verletzten gezweifelt werden musste und zu befürchten war, dass er sich an den Tathergang und so weiter nicht mehr erinnern kann. Nach wochenlangen mühevollen Versuchen gelang es am 10. September 1990 das Opfer als Rene W. aus Holland zu identifizieren. Gleichzeitig wurde bekannt, dass er gemeinsam mit seiner Gattin, Gabrielle W. auf einer Urlaubsreise nach Ungarn war und dabei das Wohnmobil, Kennzeichen 24 – FB – 09 (NL) benützten. Da sowohl von der Frau, als auch vom Fahrzeug jede Spur fehlte, musste zwangsläufig angenommen werden, dass die Frau ebenfalls einem Verbrechen zum Opfer gefallen und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben ist. Nun begann praktisch ein Wettlauf mit der Zeit. Es wurden alle denkbaren Fahndungsmaßnahmen eingeleitet und direkte Kontakte mit Polizeidienststellen in Holland hergestellt. Am 19. September 1990 wurde vom Innenministerium der Tschechoslowakei mitgeteilt, dass das Wohnmobil der Holländer wahrscheinlich gefunden worden sei. In der Nähe von Pilsen seien Einbrecher von der tschechischen Polizei auf frischer Tat gestellt worden. Einer der Einbrecher sei entkommen, der zweite konnte festgenommen werden. Bei dem Verhafteten handelte es sich um Lubor M., wie sich später herausstellte einer der beiden von uns gesuchten Verbrecher. Auf die Spur zu unserem Wohnmobil ist man deshalb gekommen, weil beim beschriebenen Einbruch auch ein Wohnmobil sichergestellt wurde. Bei der Durchsuchung fanden die tschechischen Kollegen unter der Fußmatte versteckt, die von uns gefahndeten Kennzeichen des holländischen Wohnmobils. Das war übrigens mein erster offizieller Kontakt mit unseren nördlichen Nachbarn. Ich schickte sofort Beamte unserer Mordgruppe nach Pilsen, wo es in beispielhafter Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen gelungen ist, den festgenommenen Lubor M. soweit zu bringen, mit uns zu kooperieren. Er gestand, beim Mord an Gabrielle W., sowie beim Mordversuch an Rene W. dabei gewesen zu sein. Sie hatten seiner Aussage nach Rene tatsächlich für tot gehalten. Der Haupttäter sei aber Jan M. gewesen.

Im Wesentlichen gab er folgende Schilderung: Am Abend des 22. August 1990 seien sie zum Autobahnparkplatz im Gemeindegebiet von Pucking, Bezirk Linz-Land gekommen. Sie haben das von ihnen benützte Wohnmobil hinter einem holländischen Wohnmobil abgestellt. Schon an diesem Abend sei ihnen die „schöne Frau“ im Nachbarfahrzeug aufgefallen. Diese habe für sie einen besonderen sexuellen Reiz ausgestrahlt. Noch in diesen Stunden sei bei ihnen der Plan gereift, die Frau zu entführen. Am nächsten Tag, am 23. August 1990, gegen 10.00 Uhr haben sie beschlossen, den Mann der Holländerin in ihr Wohnmobil zu locken. Sie haben mit der Hilfsbereitschaft gerechnet, ein Gasgebrechen vorgegeben und um Hilfe ersucht. Als Rene W. zu ihnen in das Wohnmobil gekommen sei, habe ihn M. vorerst niedergeschlagen und gefesselt. Anschließend haben sie auch die Frau in ihre Gewalt gebracht und sie wechselweise mehrmals vergewaltigt. Als Rene wieder zu Bewusstsein gekommen sei, wollte er trotz der Fesselung seiner Frau helfen. Daraufhin habe ihn Jan Molnar mit einer Hacke erschlagen. Anschließend seien sie mit beiden Wohnwägen vom Parkplatz weggefahren. Zurück blieb nur der Hund des holländischen Ehepaares. Das tschechische Wohnmobil haben sie auf einem anderen Parkplatz abgestellt, um es von dort später wieder abzuholen. Daraufhin haben sie die „Leiche“, sie glaubten ja, dass Rene, der mit gespaltenem Schädel kein Lebenszeichen mehr gab, tot sei, in einem Wald entsorgt. In weiterer Folge seien sie mit dem Holländischen Wohnmobil durch die Gegend gefahren und haben die Frau von Zeit zu Zeit abwechselnd immer wieder vergewaltigt. Es sei schon dunkel gewesen, als sie auf einem Autobahnparkplatz gehalten haben. Bis dahin sei die Frau noch am Leben gewesen. Jan Molnar sagte, es sei zwar schade um die schöne Frau, aber sie weiß zu viel. Deshalb habe er sie im Anschluss erwürgt. Die Leiche haben sie dann unterhalb einer Böschung hinter einer Buschgruppe abgelegt und mit Heu zu gedeckt. Nun begann einerseits eine groß angelegte Suchaktion nach der Frauenleiche, andererseits eine europaweite Fahndung nach Jan M. Im Rahmen der Vernehmung zeichnete Lubor M. auf, wie die Gegend ausgesehen habe, wo die Leiche der Frau abgelegt wurde. Die Zeichnung, die uns von Pilsen durch unsere Kollegen gefaxt wurde, stellte eine Autobahn dar, mit einem Parkplatz und angrenzender Böschung, dann Bäume, Sträucher und Heuhaufen. Für uns war das keine große Hilfe. Die beschriebene Situation passte auf fast alle Autobahnparkplätze. Zudem hatten wir das Problem, dass zwischen der Tat und der beginnenden Suchaktion sich überall größere Heuhaufen angesammelt haben. In Regau brauchten wir sogar einen Bagger, um einen Riesenheuhaufen zu durchsuchen. Dann mussten wir rechnen, dass seit der Entsorgung der „Leiche“ des Rene W. bis zur Ermordung seiner Gattin Gabrielle mindestens acht Stunden vergangen waren, denn bei der Ablegung der Leiche mussten sie bereits die Taschenlampe verwenden. Wenn man jetzt einen Aktionsradius zieht, kommt fast ganz Österreich in Frage. Aus diesem Grunde alarmierten wir alle Verkehrsabteilungen in Österreich und ersuchten um Mithilfe. Nachdem ein schnelles Abfahren der Parkplätze in Oberösterreich kein Ergebnis brachte, gingen wir systematisch von Osten nach Westen Parkplatz für Parkplatz durch. Erst in der zweiten Oktoberwoche, 50 Tage nach der Ermordung, konnten wir die bereits stark verweste Leiche im Bereich eines Autobahnparkplatzes im Gemeindegebiet von St. Georgen im Attergau finden. Die Leiche war nur leicht mit Heu zugedeckt. Interessant war, dass man den Verwesungsgeruch erst wahrnahm, nachdem wir das Heu entfernt hatten. Inzwischen konnte auch Jan M. in Bratislava verhaftet werden. Er hatte bereits einen ähnlichen Mord in der Tschechoslowakei begangen, war aber nach elf Jahren Gefängnis im Rahmen einen Amnestie, die angeblich Vazlav Havel nach seiner Wahl zum tschechischen Präsidenten erlassen hatte, vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Bei der Hausdurchsuchung in Bratislava konnten die Videokamera des holländischen Ehepaares, die Latz-Jeanshose der Gabrielle, ihre Ringe und ihr Hosengürtel sichergestellt werden. Die Schmuck- und Kleidungsstücke hatte der Verbrecher seiner Freundin als Geschenk mitgebracht. Einigermaßen makaber war auch die Auswertung des Videofilmes. Gabrielle W. filmte darauf, wie Rene zum Nachbar-Wohnmobil geht und sagt: „Hoffentlich werden sie ihn nicht kidnappen.“ Dieser Mord mit all seinen Randerscheinungen hatte international großes Aufsehen erregt. Ja, die holländische Presse schrieb sogar, ob es noch ratsam sei nach Österreich zu reisen. Wo so schreckliche Verbrechen passieren. Deshalb war ich froh und erleichtert, dass wir diesen Fall aufklären konnten und die Täter Ausländer waren, nämlich Slowaken. Die tschechischen Kollegen waren sehr darauf bedacht, dass wir betonen, die Mörder waren Slowaken und keine Tschechen. Zum Zeitpunkt des Geschehens waren ja die beiden jetzt getrennten Staaten noch eine Einheit. Beide Verbrecher wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.