Die Geschichte der B-Gendarmerie von 1952 bis 1955

Von Mag. Dr. Christoph Hatschek

Obwohl die ersten Versuche zur Aufstellung eigener österreichischer Streitkräfte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst an der Intervention des alliierten Rates gescheitert waren, gab man den Gedanken an die Schaffung eines eigenen Heeres nie vollständig auf. Jedoch sollte sich erst ab dem Jahre 1948 eine gewisse Trendwende im politischen Denken der (West-)Alliierten abzeichnen. Die Schlüsselereignisse waren dabei vor allem die Machtübernahme der Kommunisten in Budapest 1947 und Prag 1948, der Ausbruch des Koreakrieges und nicht zuletzt die kommunistisch angeregten Arbeiterunruhen und Streikbewegungen in Ostösterreich im Herbst 1950, die schließlich sogar zu einer vollständigen Meinungsumkehr führen sollten. Die Unabhängigkeit Österreichs wurde vo n den westlichen Alliierten (USA, GB und F) geradezu von der erneuten Wiederbewaffnung abhängig gemacht. Österreich sollte in der Lage sein, jeder Gefährdung innen- und außenpolitischer Art energisch entgegentreten zu können. Da die Reaktion der sowjetischen Besatzungsmacht nicht wirklich abzuschätzen war, versuchte man zunächst mit der Schaffung einer Art Bereitschaftstruppe – im
Rahmen der bereits bestehenden Bundesgendarmerie – ein vorläufiges Auslangen zu finden.

Diese zunächst nur in den von den drei Westmächten besetzten Teilen Österreichs geschaffenen „Alarmbataillone“ wurden größtenteils mit amerikanischen und britischen Ausrüstungsgegenständen, Waffen und Fahrzeugen ausgestattet. Jedoch traten von Anfang an die Unzulänglichkeiten – vor allem hinsichtlich der militärischen Ausbildung – zu Tage, sodass sukzessive begonnen wurde, bereits gediente Offiziere und Unteroffiziere zu erfassen, um sie in die zunächst als „Hilfskörper II“ bzw. „MU“(mobil unit) bezeichnete n Einheiten aufzunehmen. Die in weiterer Folge als „Schulen“ bezeichneten Formationen sollten schließlich den inoffiziellen Namen „B-Gendarmerie“ erhalten. Der Stichtag ihrer Aufstellung, der 1. August 1952, kann gleichzeitig als „Geburtstag“ der österreichischen Streitkräfte der 2. Republik gelten.

Zunächst wurden fünf Schulen eingerichtet, von denen zwei in Oberösterreich und je eines in der Steiermark, in Kärnten und Tirol stationiert war, sowie drei Fahreinheiten mit den von den Amerikanern vorerst nur „geliehenen“ Panzerspähwagen M8. Zusätzlich wurde in Stadtl-Paura ein gemeinsames Versorgungs- und Instandsetzungszentrum eingerichtet, die „Gendarmerieabteilung D“. Obwohl die Aufstellung der B-Gendarmerie im Geheimen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschah, war ihre Existenz durchaus auch in der sowjetischen Besatzungszone bekannt, wurde jedoch – mit Ausnahme von einer Vielzahl entsprechend „enthüllender“ Zeitungsartikel – kaum weiter zur Kenntnis genommen. Als Einsatzverbände der Gendarmerie unterstanden die Einheiten der B-Gendarmerie direkt dem Innenministerium im Wege der Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit und des Gendarmeriezentralkommandos und waren wirtschaftlich den Landesgendarmeriekommanden angegliedert. Die administrative und „militärische“ Leitung oblag einem vierköpfigen „Wiener Komitee“ unter der Leitung des Vorstands der Pensionsabteilung A des Finanzministeriums, Hofrat Dr. Liebitzky. Die Arbeitsebene verkörperte das sogenannte „Salzburger Komitee“ um den späteren Generalmajor und Salzburger Gruppenkommandanten Zdenko Paumgartten, das als ständiges Bindeglied zwischen der B-Gendarmerie und den amerikanischen Besatzungstruppen fungierte. Erst am 28. Oktober 1953 wurde als erste selbstständige Abteilung für die B-Gendarmerie die Abteilung 5/ S(= Schulen) im Innenministerium ins Leben gerufen, womit auch die „physische“ Trennung von der eigentlichen Bundesgendarmerie vollzogen werden konnte.

Die Struktur der Bataillone war vor allem hinsichtlich Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung sehr einheitlich und bestand aus einem Bataillonskommando, der Stabsunterabteilung mit Stabs-, Tel-, Aufklärungs-, Pionier- und Kraftfahrzeugs-Zug und Tross-Gruppe, zusammen 176 Mann, sowie drei bis vier weiteren Unterabteilungen (=Kompanien). Als Bewaffnung dienten zunächst in der britischen Zone Enfield Gewehre N°1 MK-III, in der amerikanischen und französischen Zone wurden die zuvor verwendeten deutsche Karabiner 98k bald durch M1 Karabiner abgelöst. Pro Unterabteilung (= Kompanie) standen noch etwa neun Zielfernrohrgewehre sowie neun leichte und sechs schwere Maschinengewehre zur Verfügung. Die Spähwagenkompanie hatte eine Stärke von 83 Mann und umfasste einen Stabszug und 3 Kampfzüge mit insgesamt 14 Spähwagen des Typ M-8.

Der Exerzierdienst und das Gefechtstraining sowie der Kraftfahrunterricht und die Schulung im Funk- und Fernsprechdienst standen von Anfang an im Vordergrund der Ausbildung. Darüber hinaus zeichneten sich die hochqualifizierten Alpinisten und Bergführer der B-Gendarmerie immer wieder bei Katastrophenfällen und im Bergrettungsdienst aus und gelangten dadurch bereits damals vor allem bei der Bevölkerung der westlichen Besatzungszonen zu einem guten Ruf. Die Werbung verlief jedoch trotzdem von Anfang an nicht so wie geplant und erfolgte nur äußerst schleppend: So betrug der Stand der B-Gendarmerie Ende 1953 erst etwa 100 Offiziere und 4000 Mann, die als Vertragsbedienstete aufgenommen wurden. Die Adjustierung erfolgte zentral über das Gendarmeriebeschaffungsamt (GBA) und unterschied sich rein äußerlich kaum von jener der „normalen“ Bundesgendarmerie, jedoch musste aus verwaltungstechnischen Gründen für B-Gendarmen ein eigenes „militärisches“ Rangschema geschaffen werden, welches sich vor allem in den Bezeichnungen des Aspiranten (III.-I. Klasse), Zugskommandanten und des Rittmeisters (=Hauptmann) widerspiegelte. Im Oktober 1953 wurden erstmals auch 24 Maturanten der B-Gendarmerie an die ehemalige Heeresschule nach Enns zu Gendarmerieabteilung K (=Kurse) berufen, von denen am 17. Dezember 1954 22 zu „offiziersdiensttuenden Zugskommandanten“ ausmusterten.

Erst das Jahr 1954 sollte zur weitgehenden Konsolidierung der relativ jungen Truppe führen: Die Bataillone konnten über Stand vergrößert werden bzw. ergänzten Neuaufstellungen die jeweiligen Einheiten. Der Personalstand der B-Gendarmerie belief sich damals auf insgesamt 180 Offiziere, 180 Unteroffiziere und 5900 Mann, die sich in neun motorisierte Infanteriebataillone, drei mechanisierte Kompanien, ein Pionierbataillon, eine Offiziers- und Unteroffiziersschule und eine Zeugsanstalt gliederten. Anfang 1955 erfolgte schließlich noch eine Erweiterung um zwei Fernmeldekompanien, die jeweils in Innsbruck und in Villach stationiert wurden.

„(…) von den Amerikanern gefördert, von Engländern und Franzosen wohlwollend geduldet, von den Russen argwöhnisch betrachtet, von der KPÖ laufend denunziert, von der übrigen Bevölkerung aber nicht sonderlich beachtet, wuchs die B-Gendarmerie zu einer straffen, wohlausgebildeten Truppe heran (…)“
Allmayer-Beck, ÖMZ 1972

Als sich der Abschluss der Staatsvertragverhandlungen immer mehr abzuzeichnen begann, rückte auch die Wiederaufstellung eines österreichischen Heeres in greifbare Nähe. Die B-Gendarmerie als Grundstock für dieses neue Heer zu nutzen, lag im Grunde genommen auf der Hand. Am 21. Juli 1955 wurden schließlich die Gendarmerieschulen dem eine Woche zuvor am 15. Juli 1955 geschaffenen „Amt für Landesverteidigung“ unterstellt und am 27. Juli in die „Provisorische Grenzschutz-Abteilungen“ umbenannt.

Obwohl die B-Gendarmerie nie als militärische Formation gesetzlich verankert war, hätte ohne sie die Aufstellung des neuen österreichisches Bundesheeres nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages nie so rasch erfolgen können. Mit entsprechendem Stolz und Selbstverständnis trugen die ehemaligen B-Gendarmen daher während ihrer gesamten späteren Dienstzeit im Rahmen der österreichischen Streitkräfte am rechten Oberarm ihr Abzeichen, den roten Winkel mit der brennenden Granate, der sie bis zuletzt als „Männer der ersten Stunde“ auszeichnete.

Quelle / Kollegiale Zusammenarbeit:
Vielen Dank für die Überlassung bzw. Teilung der inhaltlichen Aufarbeitung dieses Themas an Hr. Mag. Dr. Christoph Hatschek / stv. Direktor. Leiter der Abteilung „Sammlung & Ausstellung“, Heeresgeschichtliches Museum Wien
http://www.bmlv.gv.at/facts/geschichte/pdfs/b_gendarmerie.pdf